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Wie ich arbeite und was ich unter Selbstliebe verstehe

In der Arbeit mit Menschen ist immer Bewegung. Wir sind keine Maschinen, wir sind fehlbar, veränderungsbedürftig, und wir leben Evolution. Evolution hat sich weiterentwickelt, weil wir rückwärts denken und vorwärts leben. Was heißt das? Wir lernen aus unserer Vergangenheit, von unseren Erfahrungen, und wir übersetzen das, was wir gelernt haben, in die Zukunft – auf vielen verschiedenen Wegen. Wir lernen, uns zu beschützen. Wir hören auf, manche Dinge zu tun. Wir entscheiden uns, andere Dinge anders zu machen.


Eine Veränderung in dem, wie wir unser Leben leben, ist kein Zeichen dafür, dass das, was wir vorher gemacht haben, falsch war. Das „Falsch“ hat uns auf den richtigeren Weg gebracht – was Fehler in ihrer Natur richtig macht.


Auch wie ich die Arbeit mit Menschen verstehe, hat sich weiterentwickelt. Und das aus nur einem einzigen Grund: Ich habe mich weiterentwickelt. Ich sehe Weiterentwicklung nicht als „besser werden“. Das schadet unserer Motivation, weil wir glauben, wir müssten uns weiterentwickeln, um gut zu sein. Sowohl für „müssen“ als auch für „besser werden“ sind wir Menschen besonders anfällig, weil wir irgendwo ganz tief glauben, dass wir nicht gut genug sind.

Und da sich jeder Mensch mit diesem Glauben rumplagt, trägt er Wahrheit, Wichtigkeit und Notwendigkeit in sich. Zumindest erachte ich das als eine hinreichend gute Erklärung, die produktiv und lebensspendend ist.


Simpel betrachtet könnte man das bestreiten und argumentieren, was der Glaube „nicht gut genug zu sein“ denn schon Produktives gebracht hätte. Wenn ich mich umschaue, muss ich sagen: alles.

Was also, wenn „besser werden“ ein unendliches Kontinuum ist, das wir nicht als problematisch betrachten, sondern als Teil menschlicher Psychologie und des menschlichen Drangs nach Evolution?


Diese Betrachtungsweise erfordert eine nuancierte Auseinandersetzung mit dir selbst. Und sie kann – wenn gelesen von einem einfachen Intellekt – nihilistisch und bedrückend klingen. Doch in der Tiefe betrachtet und mit ausreichendem Respekt dem Leben und der Geschichte der Menschheit gegenüber, kann diese Betrachtungsweise befreiend sein.


Wir sind alle fragmentiert in viele Teile. Einige davon sind kreativ und intelligent, und einige sind eher primitiv.

Vergangene Erfahrungen, Trauma und Glaubenskonstrukte, die du von deiner Familie und deinem Umfeld übernommen hast, bewegen sich oft – nicht immer – unter den primitiven Teilen. Sie wirken unkontrollierbar und haben sehr viel Macht über andere Teile in uns. Diese Fragmentierung zu verstehen und die primitiven Anteile als solche zu entblößen, sorgt dafür, dass andere innere Anteile aktiviert werden.

Wenn wir diesen Schritt nicht gehen, hat der Glaube „Ich muss besser sein“ eine jagende, übermächtige und destruktive Wirkung – weil der Satz zuallererst auf deine primitiven Anteile stößt.


„Du bist gut genug“ – ist wohl der meistverwendete Satz der persönlichen Weiterentwicklungs-Szene. Problematisch ist nur, dass wir ihn


nie wirklich glauben

und dass er uns


davon abhält, eine viel existenziellere Ebene mit uns selbst und der Welt zu erleben.

Ich empfinde ihn als ignorant und zu undifferenziert. Grundsätzlich finde ich es problematisch, ein komplexes Phänomen als ein Problem darzustellen, für das man sich anmaßt, eine Lösung zu haben – um diese dann zu verkaufen. Das muss scheitern, und wie wir alle sehen, tut es das auch.


Was, wenn wir über uns glauben, wir müssten besser sein – und das nicht als Strafe empfinden, sondern als Natur? Was, wenn dieser Glaube gar kein großes Problem darstellt, sondern uns stattdessen kreativ macht?


Und genau von diesem Punkt möchte ich in meiner Arbeit kommen.


Wahre Selbstliebe beginnt oft nicht mit dem Blick nach innen,

sondern mit einem Moment der Hingabe.

Dem Innehalten.

Dem Lauschen auf etwas, das größer ist als wir.

Liebe, die nicht von uns kommt –

aber uns meint.

Diese Liebe macht nicht stolz, sondern weich.

Sie macht uns nicht wichtiger, sondern wahrhaftiger.

Sie stellt uns nicht in den Mittelpunkt –

sie stellt uns in Beziehung.

Und dort beginnt Heilung.


Es erfordert Demut und Reife, deinen aktuellen Zustand zu akzeptieren. Ein kleines Kind in dir will einfach nicht, dass es so ist, wie es ist. Dieses kleine Kind ist es jedoch auch, das denkt, es verschulde deinen aktuellen Zustand – und glaubt, es wäre für die Besserung verantwortlich. Doch ebenso, wie du keinem kleinen Kind das Lösen deiner komplexen Probleme zumuten würdest, kannst du es auch nicht deinem inneren (recht primitiven) kleinen Kind zumuten.

Hier wird klar, dass wir erwachsen werden müssen – dass ein Teil in uns „online“ gehen muss, der die Fähigkeit hat, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Und vielleicht ist es auch das, was ich in meiner Arbeit herausarbeite. Denn ja, Leben ist nicht fair. Es ist zutiefst chaotisch und mehr als weniger unerklärlich. Ich sehe viele Versuche, Erklärungen zu finden. Einige davon genial, andere nicht allzu sehr.

Doch der Versuch, etwas Unerklärliches erklärlich zu machen – für den Versuch „besser zu werden“ – ist ermüdend.


Ein erwachsener Geist weiß, dass es die mondänen, sich wiederholenden Dinge sind, die für den kühlen Kopf sorgen. Wie eine Mutter ihrem Kind eine Schlaf- oder Essensroutine aufdrückt, weil sie besser weiß, was für das Kind gut ist, als das Kind selbst.

Und vielleicht ist es auch das, was ich in meiner Arbeit erzielen möchte: die Entwicklung eines erwachsenen Geistes, der schon heute weiß, was morgen gut für ihn ist.


Was wäre, wenn Selbstliebe nicht bedeutet, immer mehr für dich zu tun –

sondern dich als geliebt zu erkennen?


Sich geliebt zu fühlen motiviert intrinsisch. Ohne Kurs, ohne Uni, ohne Optimierung fängt das in dir an zu blühen, was sowieso schon da ist.

Ein Kind sucht die Liebe in seinen Eltern.

Ein „Erwachsener“ sucht die Liebe in Beziehungen.

Ein erwachsener Erwachsener sucht die Liebe, die omnipräsent ist – und findet hier erstmal ein solides Fundament und dadurch relativ fortwährende Motivation.


Um diese Ebene zu kultivieren, kommen wir um Begriffe wie Gott, Gnade, Dankbarkeit und Güte nicht herum.

Aus vielen Gründen machen sie uns Angst – Angst führen uns jedoch, wie bekanntlich oft, dahin, wo es sich lohnt, anzukommen.

 
 
 

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